Seit kurzem gibt es oberhalb der Schlossalm (Gasteiner Tal) etliche neue Klettersteige. Das hatte Manfred Darimont beim Wandern auf dem Salzburger Almenweg entdeckt. Daher plante er eine Klettersteigtour. In der Woche Anfang Juli 2016 sollte es soweit sein. Mit einer überschaubaren Gruppe von 6 Personen ging es los.
Die Vorhut: Roswita und ich (Jürgen) reisten bereits am Freitag (1.7.) an. Für Samstag hatte allerdings jeder sein eigenes Programm: Während Roswita einen Klettersteigkurs im Tal absolvierte, machte ich mich auf den Fußweg zum Hofgasteiner Haus. Ich wollte mir ansehen, was auf dem Weg dorthin so alles blüht. Wald und Wiesen waren durchzogen von etlichen kleinen und kleinsten Bächen, die -auf meiner Route - wohl zumeist in den Schlossbach fließen. Außer Glockenblumen, Teufelskralle, Augentrost, Sumpfdotterblumen erfreuten mich im unteren Talbereich auch etliche Orchideen (u.a. die Waldhyazinthe), im oberen Talbereich Trollblumen, Alpenrose, Läusekraut, Enziane(Frühlings-, Clusius- sowie gefleckter Enzian) und Mehlprimel. Nach 5 Stunden Wanderung fuhr ich mit der Seilbahn zurück ins Tal, wo am Nachmittag auch Manfred dazukam.
Sonntag: Margit, Ulla und Ursula holen wir Vormittags am Bahnhof vom Nachtzug ab. Zur Mittagszeit fahren wir gemeinsam per Seilbahn zu unserer Unterkunft, dem Hofgasteiner Haus (1950 m), hinauf.
Ein erster Erkundungsgang am Nachmittag führt uns zu den Übungsklettersteigen und zum Klettersteig „Kleine Scharte“, die wir uns für den nächsten Tag vorgenommen haben. Außer Enzian und Orchideen begleiten Blüten von Arnika und Soldanelle unseren Weg. Am Abend zieht Nebel aus dem Tal zum Hofgasteiner Haus hinauf.
Montag: Das Wetter wird gut, das Büffetfrühstück ist reichhaltig. Gut gestärkt absolvieren wir zwei der drei Übungsklettersteige (Schwierigkeitsgrad A=leicht bis B= mäßig schwierig) erfolgreich und mit wachsender Begeisterung. Am Fels entdecke ich hier die Mondraute (Botrychium lunaria), einen seltenen Farn. Weiter zum Klettersteig „Kleine Scharte“. Von den drei Varianten im oberen Bereich wählen wir die mittelschwere (C=schwierig), die schon einige recht senkrechte Abschnitte hat. In der Gruppe zeigen sich nun Unterschiede im Klettervermögen. Wer zuvor am Fels oder zumindest an unseren Klettertürmen in der Döhrnstrasse geübt hat, kann jetzt davon profitieren. Gegen 14 Uhr haben wir uns die Kaffeezeit im Restaurant an der Seilbahnbergstation verdient. Alle Klettersteige hier im Bereich sind relativ kurz und mit maximal 1,5 Stunden Gehzeit (+ Zustiegszeiten) angegeben und somit für Einsteiger geeignet.
Dienstag: Heute haben wir uns den Klettersteig zur Mauskarspitze vorgenommen. Beim Zustieg erfreuen uns Polster von Enzian, kontrastiert mit gelben Hahnenfußblüten, sowie Polster des Alpenmannsschild mit seinem rosa Blütenteppich. Außer zwei C-Abschnitten enthält der Steig eine etwa 30m lange Seilbrücke. Der anfängliche C-Abschnitt erscheint Ulla zu schwierig, sie verzichtet daher schweren Herzens. So klettern wir den Steig zu fünft. Ursula klettert sehr an Ihrer Grenze aber schafft es, denn wir nehmen uns viel Zeit. Am schmalen steilen Abstiegspfad Alpenleinkraut (Linaria alpina). Beim Abendessen erfahren wir noch, das sich Ursula mit Ihrer Leistung heute selbst ein Geschenk zu Ihrem 77.(!) Geburtstag gemacht hat. Alle Achtung und herzliche Glückwünsche zu beidem.
Mittwoch: Heute ist Wandertag. Das Wetter war besser als sein Ruf (=Vorhersage). Hinab ins Tal und mit dem Bus nach Sportgastein (1600 m). Auf einem Stück des Salzburger Almenweges geht es an der Naßfelder Ache das Tal hinunter, vorbei an vielen Wasserfällen. Türkenbundlilien und Wintergrün säumen den Weg. Ab Böckstein gehen wir über die Kaiserin-Elisabeth-Promenade bis nach Bad Gastein. Von dort mit Bus und Schlossalmbahn zurück.
Donnerstag: Der Klettersteig „Hirschkarspitze“ bietet Schwierigkeitsgrade bis D/E, zwei kurze Seilbrücken und einen Flying Fox (=Stahlseilrutsche). Als wir gerade den ersten Teil beginnen, werden wir vom österreichischen Militär verfolgt. Aber sie tun uns nichts, die wollen nur üben. Im Gegenteil: Die Ausbilder geben uns Tipps und Hilfe beim Flying Fox. Den Touristenpfad zur Hirschkarspitze nutzen wir als Abstieg und finden noch Zeit und Kraft für die schon vom Montag bekannten Übungsklettersteige. Ermutigt durch die beiden D/E-Bereiche an der Mauskarspitze, versuche ich nun den dritten Übungssteig mit dem Schwierigkeitsgrad E (=extrem, senkrecht bis leicht überhängend). Etwa 15-20m, die es in sich haben. Manfred stellt schmunzelnd fest, mich hier einmal aus der Puste zu sehen. Abschließend noch eine Abseilübung an einer mit Griffen versehenen! Übungswand. Dann neigt sich ein sehr aktiver Tag seinem gemütlichen Ende zu.
Freitag: Bei meinem morgendlichen Spaziergag vor dem Frühstück gehe ich noch einmal zum Übungshang und entdecke hier weitere Exemplare der Mondraute und das Kohlröschen, eine stark nach Vanille duftende Orchidee.
Der Klettersteig „Weitmoser“ bietet uns heute leichte bis mittlere Schwierigkeitsgrade und endet an der Mauskarspitze. Wir verzichten hier auf den letzten Teil und gehen stattdessen einen Hang hinunter. Auf dieser steilen Wiese sind viele der bisher gesehenen Alpenpflanzen versammelt.
Samstag: Abreisetag. Eine Urlaubswoche mit einer gelungenen Mischung aus Muße und sportlicher Aktivität in Blickweite der Hamburger Skihütte und dem Panorama der hohen Tauern im Hintergrund liegt hinter uns. Danke an Manfred für Geduld, Augenmaß und viele Tipps. Danke an Margit, Roswita, Ulla, Ursula, die auf ihre Art zum Gelingen beigetragen haben. Danke an die Wirtsfamilie, die uns gut versorgt hat.
Verschandeln Klettersteige die Landschaft? Bedingt Ja. Die bei den von uns begangenen Steigen verwendeten Sicherungsseile und Klammern haben wir selbst erst kurz vor dem Start gesehen, aber Seilbrücken und Flying Fox sind natürlich schon von weitem auszumachen und verändern die Felsskyline deutlich. Sie wirken jedoch dezent verglichen mit den auf der Schlossalm auf vielen Wiesenstücken sichtbaren Skiliften. Bei dem Skiansturm im Winter ist es kaum zu glauben, dass hier im Sommer auf den Pisten so viele Pflanzen wachsen.
Jürgen Lockhausen