Werden und Vergehen

Hallo Leute,

immer mal wieder sind wir geschäftlich im Wald unterwegs.

Dabei stellt sich stets die Frage: Wie macht man das Sichtbare unsichtbar?

Das ist kein schwieriger Zaubertrick, sondern solides Hand- oder Fußwerk.

Hier unsere Kurzanleitung zum spurlosen Verhalten im Wald:

(abgewandelt nach einem Text vom Geoquest-Verlag, Cartoon von Tweet)

 Jeder kennt es – man ist unterwegs in der Natur, und auf einmal – ein grummelndes Gefühl von unten. Es hilft nichts, die Natur fordert ihre Rechte und der Weg zur nächsten Nasszelle ist weit. Hier und jetzt muss Magenfreiheit hergestellt werden. Doch wie macht man das sowohl mitmenschen- als auch naturverträglich? Also - how to shit in the woods?

Damit der Ausflug hinter den Busch nicht zu einem Spießrutenlauf zwischen diversen Tretminen und Fußfallen wird, sollten wir folgende sieben einfache Hinweise beachten:

  1. Abstand halten:Für das große Geschäft ist ein Abstand von 50 Metern zu begangenen Wegen oder Kletterfelsen nett. So vermeidest du nicht nur unliebsame Überraschungsbesuche mit der Hose auf halb acht, sondern auch, dass es im Gebiet zu müffeln beginnt. Für das kleine und schnelle Geschäft reicht auch etwas weniger Abstand. Überhänge oder Höhlen sind als „Hock“-orte tabu, denn da hier kein Regen hinkommt, können die Exkremente nicht verrotten.
  2. Grundlage schaffen: Damit Du nach dem Geschäft deine Hinterlassenschaft würdevoll „beerdigen“ kannst, gräbst du am besten zuerst ein Loch von mindestens 5-10 Zentimetern Tiefe. Das kann mit der Fußspitze, einem Stock oder auch der Hand geschehen. Ist der Boden zu fest, kannst du dir auch Steine suchen, die später die „Grabplatte“ bilden. Gute Dienste leistet eine kleine Gartenschaufel, die immer dabei sein sollte!
  3. Geschäft erledigen:
  4. Putzen:Verwende zur Reinigung des Allerwertesten Naturmaterial, normales Klopapier oder Papiertaschentücher. Feuchttücher sind aus Vlies und verrotten nicht. Denk an dein Karma! (Tipp: Willst du dich feucht abwischen, dann kipp ein wenig Wasser auf ein Taschentuch, das geht super).
  5. Vergraben: Bedecke alle Hinterlassenschaften so, dass nichts mehr davon zu sehen ist. Als Deckschicht dient die ausgehobene Erde. Auch Steine, Laub, Moos, Rinde oder was die Natur sonst noch so hergibt, sind willkommen.
  6. An die Herren der Schöpfung: Niemand will euch nur fünf Meter neben den Routen, dem Zugangsweg, dem Picknickplatz, etc. wasserlassend von hinten sehen!
  7. An die Damen der Schöpfung: Binden und Tampons verrotten nicht!Nehmt euch einfach eine kleine Plastiktüte mit, und diese wieder mit nach Hause, dann stimmt auch die Ökobilanz.

Axel Hake, DAV Landesverband und IG Klettern

Cartoon von Tweet
Cartoon von Tweet

Workshop-Tag Klettern und Naturschutz im Ith

Wir Kletterer in Norddeutschland haben ein Problem: Stück für Stück verringert sich unser Betätigungsfeld: Ende der 1960er-Jahre wurde die Hälfte des Hohensteins gesperrt – seitdem wird unser Erlebensraum immer kleiner. Mit der Sperrung fast des kompletten Selters gingen die schwersten Routen Norddeutschlands verloren, und im größten Teil des bedeutendsten Sandstein-Klettergebiets nördlich des Harzes kämpfen wir gerade dafür, unseren Sport weiter ausüben zu können.

 

Die meisten kletternden Menschen werden sich nicht intensiv mit der Problematik auseinandersetzen, und sie ist einigermaßen kompliziert. Für den Außenstehenden sieht es erst einmal so aus, als ob da einfach so etwas verboten wird, was vorher einfach ging.

 

Die Interessendifferenzen, die zu den immer weitergehenden Sperrungen führen, könne oft nur schwierig aufgelöst werden. Wir Kletterer können aber wenigstens dafür sorgen, dass sie sich nicht weiter verschlimmern. Darum ist es eine Aufgabe der Klettersporttrainer der Sektionen, den Felsaspiranten das Thema zumindest in Grundzügen nahe zu bringen, um für hilfreiches und nicht hilfreiches Verhalten zu sensibilisieren.

 

Um dafür sprachfähig zu werden, trafen wir -Trainer und Trainerinnen der Sektionen Hannover und Hamburg- uns mit dem Umweltbildungsbeauftragten des Landesverbandes Nord Rainer Oebike auf dem Ith-Zeltplatz.

 

Der Kurs ist eine Mischung aus Umwelt/umweltpolitischer Theorie und Praxis: Klettern und Klemmkeile legen wollen wir auch.

 

Zunächst geht es um die theoretische Frage: „Warum dürfen wir überhaupt Klettern?“. Die Kletterfelsen und ihre Umgebung gehören nicht dem Alpenverein, nicht einfach der gesamten Bevölkerung, sondern ganz unterschiedlichen Parteien – Privatleuten, Gemeinden, dem Land Niedersachsen – und im Prinzip können die Besitzer ja über ihr Eigentum verfügen. Die  niedersächsischen Felsen liegen in Waldgebieten. Im niedersächsischen Waldgesetz ist festgelegt, wozu der Wald dient – und unter Anderem dient er nach §1 c) des niedersächsischen Waldgesetzes auch der Erholung der Bevölkerung, und Bevölkerung,  das sind wir. Nach §23 ff des niedersächsischen Waldgesetzes darf jeder Mensch den Wald betreten, um sich dort zu erholen. Dieser Grundsatz ist für die Argumentation der Kletterer sehr wichtig: Unabhängig davon, wem der Wald gehört, jeder darf ihn zu Erholungszwecken betreten. Und Klettern gehört zur Erholung.

 

Kann man das Klettern einschränken? Ja, und zwar nach §31.1 des niedersächsischen Waldgesetzes unter anderem dann, wenn eine übermäßige Benutzung Besitzer oder andere Personen unzumutbar belästigt (…“Da kann sich ja keiner erholen“…), besonders geschützte Arten von Wild und Pflanzen geschützt werden müssen oder wenn eine ständige erhebliche Beunruhigung des Wildes durch Besucherinnen und Besucher verhindert werden muss. Wichtig hierbei: Wenn eine Sperrung mehr als zwei Wochen dauern soll, muss sie von der Waldbehörde genehmigt werden, das heißt auch, sie muss plausibel gemacht werden.

 

Warum sollte man das Klettern einschränken wollen? Das liegt sicherlich im Auge des Besitzers. Wir haben es hauptsächlich mit zwei Besitzergruppen zu tun: Einmal mit Vertretern der öffentlichen Besitzer (Landesforst, kommunale Forsten) und andererseits mit privaten Besitzern. Behörden haben meiste eine fachlich begründete Meinung zum Klettern: Risiken bei der Verkehrssicherung (das heißt: Muss die Behörde dafür aufkommen, wenn sich jemand im Wald verletzt?) oder Risiken für die Natur. Private Besitzer haben auch andere Interessen, meistens haben sie Angst davor, dass sie ihren Besitz nicht so nutzen können, wie sie wollen; aber auch die Frage der Haftung bei Unfällen ist ihnen wichtig.

 

"Unsere" Felsen sind Lebensräume seltene Pflanzen und und Tiere – und es ist Aufgabe der Naturschutzbehörden, diese zu schützen. Das Betretensrecht wird daher meist aus Naturschutzgründen eingeschränkt, zum Beispiel bei der Umsetzung des europäischen Flora-Fauna-Habitat-Schutzes. Zusätzlich sind alle „offenen Felsbildungen“, also alle Felsen, die nicht vom Boden bedeckt sind oder als Steinbruch entstanden sind, in Niedersachsen geschützte Biotope – wenn sie höher als 1,50m sind.

Was können wir Kletterer tun, um das Interesse an Sperrungen gering zu halten?

·         Unfälle vermeiden und die Umwelt dadurch schützen, dass wir auf den Wegen bleiben – z.B. auf den aus Stämmen gebauten Treppen zum Felsfuß laufen, und nicht zwischen den Felsen durch das Laub rutschen.

·         Wenn irgendwo ein „X“ steht, nicht weitergehen – das heißt nämlich: Hier ist gesperrt!

·         Die Sperrung der Felsköpfe beachten: Bei den meisten Felsen in Niedersachsen darf der Felskopf nicht betreten werden, da dort sehr seltene Pflanzen wachsen.

·         Die zeitweise Sperrung von Felsen wegen der Brut bedrohter Vögel beachten! (Siehe unter DAV-Nord Sperrungen und IG Klettern Sperrungen)

·         Andere Nutzer des Waldes nicht behindern oder stören, das heißt: Fahrerbote auf Waldwegen beachten und nur dort parken, wo man darf. Insbesondere keine Feld- und Waldwege zuparken, so dass keine Arbeitsmaschinen mehr durchkommen.

Wenn sich alle Kletternde an diese 5 Regeln halten, erschwert das zumindest die Argumentation für Sperrungen.

 

Das ist eine Menge Theorie, deswegen gehen wir im Anschluss in die Praxis über – diverse Klemmgeräte werden platziert, beurteilt und die Platzierung mit Hintersicherung im Toprope getestet. Es lohnt sich durchaus auch für erfahrene Kletternde, unter fachkundiger Anleitung und mit zusätzlicher Sicherung noch einmal zu testen, welche Platzierung mobiler Sicherungsmittel sicher halten, und welche nicht. Insbesondere letzteres lotet man ja doch eher selten aus…

 

Nach der Lockerungsübung mit Keilen beschäftigen Wir uns mit tatsächlichen und vermeintlichen Auswirkungen des Kletterns auf die Umwelt. Grundsätzlich sind wir als laut klimpernde Trampelwesen für Tiere keine große Bedrohung: Sie können uns auf große Entfernung wahrnehmen und uns sehr einfach ausweichen. Anders ist es mit Tieren, die nicht ausweichen können – weil wir zum Beispiel direkt auf das Nest mit den Eiern oder Jungvögeln zu klettern. Das ist ein größeres Problem, denn es kann sogar sein, dass gestörte Elternvögel die Brut komplett abbrechen, wenn sie sich zu sehr gestört fühlen. Das ist extrem schlecht für die Arterhaltung der Vögel, aber auch für die Argumentation der Kletter-Interessensvertreter, dass Klettern ein naturverträglicher Sport ist. Also noch einmal der Aufruf an alle Kletternden: Beachtet die temporären Felssperrungen!

 

Ebenso schädlich können wir für Pflanzen sein, denn die können auch schlecht ausweichen: Gerade oben auf den Plateaus der Felsen -den sogenannten Felsköpfen- haben sich Pflanzen gerettet, die ansonsten seit der letzten Eiszeit ausgestorben sind. Damit diese Pflanzen nicht durch Toprope-Installierende Kletternde zertrampelt werden, sind viele Felsköpfe in Niedersachsen gesperrt, man darf also nur von Unten -also im Vorstieg- Seile installieren. Auch diese Sperrungen müssen dringend beachtet werden!

 

Nach dieser weiteren Theorieeinheit lassen wir den Tag mit einer weiteren Einheit Praxis ausklingen: Der Teufelstrichter dient uns als Gelegenheit, noch einmal das selbstständige Absichern eines Vorstieges mit mobilen Sicherungsmitteln durchzuführen – denn neben dem schönen und schützenswerten Umfeld im Buchenwald des Weserberglands gehört auch das zu den Eigenheiten unserer Kletterfelsen: Das legen mobiler Sicherungen muss schon beherrscht werden.

 

von Michael Brockkaus,
Hannover

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Hier findet ihr die temporären Sperrungen in Niedersachsen. Felsen können kurzfristig gesperrt werden. Informiert euch bitte vor dem Klettern.