Skitouren genießen lernen

Ein Skitourenkurs, ausgeschrieben für Ein-steiger und Genießer. Für mich hätte eigentlich eher gegolten „…und solche, die es werden wollen“. Als Anfänger hatte ich bisher genussvolle, auch lange Aufstiege erlebt, aber jeweils bange meinen Stürzen bei der Abfahrt entgegengesehen. So war mein persönliches Ziel dieses mal, herauszufinden, ob der vielgepriesene Spaß des Hinab-Schwingens im unverspurten Schnee auch für mich zum Genuss werden könnte.

Hinter dem Mond gleich links

Bereits beim Aufstieg mit Ski zum wunderbar abgeschieden gelegenen Berghaus Sulzfluh oberhalb von Sankt Antönien im Prättigau (Hüttenslogan: „Hinter dem Mond gleich links“) zeigten sich die Gipfel, die uns an den folgenden Tagen begleiten würden, im ganz besonderen Licht der Abendsonne. Wir bra-chen dann immer sehr früh auf, um dem Wetter und der Schneebeschaffenheit das Beste abzugewinnen. Zunächst war die Lawi-nensituation schwierig (Altschneeproblem und zugleich Nassschneelawinen), verbesser-te sich aber zum Glück von Tag zu Tag. Den-noch waren Abfahrten meist bereits gegen Mittag wegen des sehr sulzigen Schnees und der schlechten Sicht nur schwierig möglich. Insbesondere wenn die Sichtverhältnisse die Konturen verwischten und alles nur noch weiß erscheinen ließen. 

Eine beeindruckende Erfahrung wurde dann auch die Wegfindung im dichten Nebel. Un-ter Einsatz von Kompass, Marschzahl und GPS-Gerät schickten wir uns an, den richtigen Weg zu finden. Die Schwierigkeit, die Orien-tierung zu behalten und das Gelände ohne Sicht zu beurteilen, wurde sehr deutlich und führte dann auch zum Abbruch einer Tour. Die Abfahrt war nur noch längs der glückli-cherweise gut erkennbaren Aufstiegsspur möglich. In solchen Momenten spürt man sehr direkt, wie klein und hilflos man den Naturgewalten ausgeliefert sein kann.

Wie wir die Hänge herunter gekommen sind?  Bei unterschiedlichsten Schneebedingungen übten wir die häufig benötigten Schwünge in (für unsere Verhältnisse ) steilerem Gelände. Der eine sagt steil, ein anderer mag darüber lachen. Auch Spitzkehren auf - wie abwärts gehörten zu den Trainingsübungen. Diese wie auch die gelegentlichen, immer glimpflich verlaufenden Stürze trugen dazu bei, die Angst vorm Stürzen im Gelände abzubauen (soweit das Gelände keine Felsen mit Ab-sturzgefahr dahinter aufwies). Wieder auf die Ski zu kommen, stellte nicht nur mich vor eine weitere Herausforderung.  Ich sage nur Kondition und Körperspannung. Aufstehen im Schnee kann sehr anstrengend sein. Wie gut, dass wir ab mittags einige Male vor der Terrasse der Hütte in der Sonne liegen und sogar im Hot Pot entspannen konnten.

Nachdem wir an einigen Tagen wegen der Wetter- oder Geländebedienungen, teilweise auch wegen unserer noch nicht so routinier-ten  Abfahrtstechnik kurz vor den jeweiligen Gipfeln umgekehrt waren, hatten wir zum Ende der Woche richtig Glück! Bei strahlend blauem Himmel und einer kalten steifen Bri-se, erreichten wir - ein einsames  anschei-nend uns allein gehörendes Hochtal querend - den 2628 m hohen Gipfel der Wissplatte. Den atemberaubenden Rundumblick „muss-ten“ wir  nur mit einem anderen Tourengän-ger teilen. Ein großartiges Erlebnis mit Gip-felbrotzeit  und Gipfelbucheintrag, wie sich das gehört. 

Es ist möglich „genießen“ zu ler-nen

Die Sonne strahlte mit uns um die Wette. Der kalte Wind  spielte ebenfalls für uns und hat-te das Aufweichen des Schnees für unsere Abfahrt verzögert. Eine feste Grundschicht eine feine unberührte Schneeschicht ließ die Abfahrt auch für uns Anfänger einfacher werden. Wir konnten das Gleiten über weite sanfte Schneehänge schwingend genießen. Selbst die Steilstellen, vor denen uns im Auf-stieg schon etwas bange war, ließen sich bei optimalen Bedingungen ohne Angst bewälti-gen.

Es ist also möglich, „genießen“ zu lernen, Schwünge im unberührten Schnee zu setzen und Spaß am rhythmischen Abfahren auf Ski und der Bewegung in der Natur zu haben. Zumindest wenn die Verhältnisse dies zulas-sen und eine tolle Gruppe und umsichtige Anleitung hinzukommen. Eine gelungene Skitourenwoche, die einem das Lachen noch Wochen später ins Gesicht zaubert. 
Vielen Dank an die Gruppe und Chefin Inge Mangelsdorf.

Rüdiger Hänlein / Kursteilnehmer